Geschwindigkeitsrekord im Gehirn

Nervenzellen im Gehirn können Informationen mit erstaunlich hoher Geschwindigkeit austauschen, nämlich 1.000 Mal pro Sekunde. Ein wichtiger Faktor für die schnelle Informationsverarbeitung. Neurophysiologen der Universität Leipzig haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sie Aktionspotenziale vor und hinter einer Kontaktstelle von zwei Nervenzellen messen können. Ihre Ergebnisse sind aktuell in der angesehenen neurowissenschaftlichen Zeitschrift „Neuron“ erschienen.

Nervenzellen im Gehirn ticken enorm schnell. Foto: Stefan Hallermann
Nervenzellen im Gehirn ticken enorm schnell.
Foto: Stefan Hallermann

Wie schnell tickt unser Gehirn? Die Antwort brachte für das Wissenschaftlerteam um Prof. Dr. Stefan Hallermann vom Carl-Ludwig-Institut für Physiologie eine überraschende Erkenntnis: Zusätzlich zu ihrer großen Anzahl und hohen Vernetzung ticken Nervenzellen im Gehirn auch noch enorm schnell. Das menschliche Gehirn hat ungefähr 100 Milliarden Nervenzellen. Jede von ihnen ist durchschnittlich mit tausend anderen verbunden.

Diese immense Parallelität allein führt schon zu Beschleunigung. Damit aber nicht genug, zusätzlich feuert jede Nervenzelle ihre elektrischen Signalreize auch noch mit enormer Geschwindigkeit an ihre Nachbarn weiter. Die Wissenschaftler sprechen von Aktionspotenzialen. Bisher galt die Einheit von 100 Hertz in den Lehrbüchern als Standard. Die Leipziger haben jetzt 1.000 Hertz gemessen.

„Im Experiment haben wir die Höchstleistung künstlich geschaffen, indem wir die Zellen bei maximaler Stimulation bis an ihre Leistungsgrenze führten“, sagt Hallermann. „Aber die Tatsache, dass die Zellen so schnell feuern können, spricht für mich dafür, dass das Potenzial auch benutzt wird.“ Mehr als die Frequenz habe ihn jedoch überrascht, so der Neurophysiologe, dass die Aktionspotenziale in der Zelle so kurz, also ultraschnell, sind. Kurze Aktionspotenziale machen den Weg frei, schnell danach ein weiteres hinterher feuern zu können. „Wenn die Aktionspotenziale länger wären, beispielsweise eine Millisekunde, wären Frequenzen von 1.000 Hertz nicht möglich,“ erläutert einer der Erstautoren, Dr. Igor Delvendahl.

Mit neuer Messmethode zum Erfolg

Die zweite überraschende Erkenntnis der Arbeit ist, dass die Aktionspotenziale zur nächsten Zelle übertragen werden. Diese Erkenntnis konnte nur gewonnen werden, weil die Leipziger Wissenschaftler ein kompliziertes Messverfahren an den Kontaktstellen von zwei Nervenzellen (Synapsen) entwickelten. Diese methodische Weiterentwicklung macht einen großen Teil der wissenschaftlichen Arbeit aus. Bei der sogenannten „patch-clamp-Technik“ werden winzige Glaspipetten mit einem Durchmesser von einem Mikrometer an die Zellen herangefahren, um ihre elektrischen Signale zu messen.

Die Herausforderung war es, eine Pipette auf die Signale sendenden feinen Enden (Axone oder auch präsynaptischen Endigungen) sowie gleichzeitig eine zweite Pipette auf den Zellkörper der empfangenden Zelle zu positionieren. Um die präsynaptischen Endigungen besser finden zu können, haben die Wissenschaftler sie fluoreszierend eingefärbt. Es gibt wenige Stellen im Gehirn, an denen derartige Paarableitungen von der prä- und postsynaptischen Zelle möglich sind. Deshalb ist die neue Messmethode ein technischer Durchbruch.

Rennen und einem unerwarteten Hindernis ausweichen: Die Wissenschaft weiß noch nicht, wo genau solch schnelle Entscheidungen im Gehirn entstehen, wahrscheinlich arbeiten mehrere Areale zusammen. Die Leipziger haben sich deshalb auf ein Areal konzentriert, bei dem ein Großteil der sensorischen Information landet und weitergegeben werden muss. Damit es an solch einer Stelle nicht zu einer Art Verkehrsstau kommt, müssen die Informationen möglichst schnell über kurze Aktionspotenziale weitergegeben werden. Wie eine schnelle Signalweitergabe an die Muskeln funktioniert, ist bislang noch nicht geklärt, weil es technisch nicht leicht ist, solche hohen Frequenzen zu analysieren. „Für den Neurostandort Leipzig ist es wichtig, dass wir im Team solche international sichtbaren Publikationen zustande bringen.

Das ebnet letztlich den Weg, gute Mitarbeiter zu gewinnen und Forschungsverbünde aufzubauen“, ist Hallermann überzeugt. Den Mediziner und Physiker fasziniert es, mit naturwissenschaftlichen Methoden und hochtechnischen Mikroskopen die Informationsverarbeitung im Gehirn zu untersuchen. Langfristig hat er die Hoffnung, dass mit Hilfe der Grundlagenforschung die Hirnfunktionen besser verstanden werden, um dann bei neurologischen oder psychiatrischen Erkrankungen zu einer besseren Therapie zu kommen.

Fachveröffentlichung:
Ultrafast Action Potentials Mediate Kilohertz Signaling at a Central Synapse
DOI: 10.1016 / j.neuron.2014.08.036

Lasagne mit Käsesauce

Lasagne mit Käsesauce Foto: Wirths PR
Lasagne mit Käsesauce
Foto: Wirths PR

Lasagne mit Käsesauce
(für 4 Personen)

2 Zwiebeln
2 EL Olivenöl
400 g Hackfleisch (halb & halb)
100 g Champignons
1 Dose stückige Tomaten (400 g)
Salz
Pfeffer
Paprika
Muskat
Petersilie
1 Packung Lasagneblätter (250 g)
200 g Schmelzkäse mit Champignons
0,1 l Milch

Zwiebeln klein hacken und in etwas Olivenöl andünsten. Hackfleisch zugeben und abrösten. Champignons putzen, waschen, blättrig schneiden. Mit den Tomaten an die Hackfleischmasse geben und gut durchkochen. Mit den Würzzutaten abschmecken. Eine hitzefeste Form leicht mit Öl ausstreichen und abwechselnd die Lasagneblätter und die Hackfleischmasse einschichten. Schmelzkäse in heißer Milch lösen und über die über die letzte Lasagnelage verteilen. Im vorgeheizten Ofen bei 200 °C ca. 30 Minuten überbacken.

Pro Person: 696 kcal (2909 kJ), 36,9 g EW, 37,8 g Fett, 51,3 g Kohlenhydrate

Gesundheitstipp: Artischockensaft erleichtert die Fettverdauung

Bei reichlichem Essen, insbesondere fetthaltigem, ist Artischocke ideal. Die Wirkstoffe der Artischocke regen den Gallenfluss an und unterstützen so die Entgiftungstätigkeit der Leber. Sie fördern zudem die Fettverdauung und verhindern Völlegefühl und Blähungen. Da Artischockensaft sehr bitter schmeckt, am besten mit Wasser, Gemüsesäften oder Joghurt mixen. Artischockensaft gibt es in Apotheken und Reformhäusern.

Wolkentürme über dem Amazonas

„Bitte anschnallen. Wir durchfliegen gerade ein Gebiet mit starken Turbulenzen.“ Was so manchen Fluggast in Schrecken versetzen würde, erfreute im vergangenen Monat Atmosphären- und Klimaforscher aus Deutschland, Brasilien und Israel.

Unter den Tragflächen des Forschungsflugzeugs HALO befinden sich Sonden, um die Eigenschaften von Aerosolen und Wolkenteilchen zu bestimmen. Foto: Prof. Dr. Manfred Wendisch
Unter den Tragflächen des Forschungsflugzeugs HALO befinden sich Sonden, um die Eigenschaften von Aerosolen und Wolkenteilchen zu bestimmen.
Foto: Prof. Dr. Manfred Wendisch

Im Rahmen einer groß angelegten Expedition erkundeten mehr als 60 Wissenschaftler hoch aufsteigende Wolkentürme über dem Amazonas-Regenwald mit Hilfe des Forschungsflugzeugs HALO. Ziel der ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne war es, herauszufinden, wie Gase und Aerosolpartikel, Wolkentropfen und -eiskristalle, Wind und Sonnenstrahlung in der Atmosphäre wechselwirken, und so die Entstehung und Eigenschaften von Wolken und Niederschlag sowie deren Auswirkung auf das Klima beeinflussen. Das Projekt wird unter anderem von Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig koordiniert.

Um das zu untersuchen, flogen die Forscher vom brasilianischen Manaus aus in 14 Messflügen von etwa sieben Stunden Dauer über dem Regenwald hoch in die Atmosphäre. Dabei flog das Flugzeug oft direkt in sogenannte konvektive Wolken ein, wie Meteorologen aufsteigende Regen- und Gewitterwolken bezeichnen. Mit an Bord hatten die Wissenschaftler eine Kombination neuartiger und leistungsfähiger Messinstrumente, um die Zusammensetzung und die physikalisch-chemischen Eigenschaften von Luft und Wolken zu bestimmen.

Besondere Aufmerksamkeit galt den Unterschieden zwischen Wolken in reiner Luft über dem Regenwald und in verschmutzter Luft über der Millionenstadt Manaus und Brandrodungsgebieten.

„Wir wollen unter anderem verstehen, welchen Einfluss die Luftverschmutzung auf die Bildung von Wolken hat“, sagt Meinrat O. Andreae vom Max-Planck-Institut für Chemie aus Mainz. „Wenn große Waldgebiete abgebrannt werden, entstehen riesige Mengen an Rauchpartikeln, die hoch in die Atmosphäre steigen und dort die Wolkenbildung beeinflussen.“ „Verschmutzte Wolken enthalten um ein Vielfaches mehr, aber dafür kleinere Wassertröpfchen als saubere Wolken“, erläutert Manfred Wendisch vom Institut für Meteorologie der Universität Leipzig die ersten Ergebnisse der Messkampagne. Verschmutzte Wolken bilden daher weniger schnell Regen und erscheinen heller, da kleinere Tröpfchen mehr Sonnenlicht reflektieren als große.

„Auf den ACRIDICON-CHUVA-Flügen mit HALO konnten wir erstmals die chemische Zusammensetzung und mikrophysikalischen Eigenschaften der Wolkenteilchen, Aerosolpartikel und Spurengase in hochreichenden konvektiven Wolken simultan messen und umfassend charakterisieren“, sagt Ulrich Pöschl vom Max-Planck-Institut für Chemie, der das Forschungsprojekt gemeinsam mit Meinrat Andreae, Manfred Wendisch und Luiz Machado vom brasilianischen Forschungsinstitut INPE koordiniert. „Dadurch wird es möglich, den Prozess der Wolkenentstehung genauer zu erfassen und die Auswirkungen von Luftverschmutzung auf Wetter und Klima besser zu verstehen und vorherzusagen.“ Für quantitative Aussagen, wie sich die beobachteten Effekte auf das Klima im Amazonas-Regenwald und weltweit auswirken, ist es jedoch noch zu früh, da die Forscher die riesigen Datenmengen erst vollständig analysieren und auswerten müssen.

Neben der Begeisterung für die einzigartigen wissenschaftlichen Daten, die das Forschungsflugzeug HALO auf seinem fünfwöchigen Auslandseinsatz sammelte, freuten sich alle Beteiligten darüber, dass die Messkampagne nach jahrelangen Vorbereitungen trotz schwieriger logistischer Bedingungen erfolgreich durchgeführt werden konnte, was ohne die enge Zusammenarbeit mit den brasilianischen Partnern nicht möglich gewesen wäre.

Forschungsflüge nahe großer Gewitterzellen, die in größere Wolkenformationen hineinführen, sind für die Testpiloten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), dem Betreiber von HALO, ein nicht ganz alltägliches Handwerk. „Die Messflüge waren die bisher komplexesten Flugabläufe für HALO“, sagt DLR-Testpilot Steffen Gemsa. „Fliegerisch besonders anspruchsvoll waren für uns die wiederholten Durchflüge von Quellwolken und von Ausflussgebieten hochreichender tropischer Gewitterwolken.“

Die Piloten flogen über dem brasilianischen Regenwald fünf verschiedene wissenschaftliche Basisflugmuster in niedrigen Flughöhen. Zudem stiegen sie auch in extreme Flughöhen von fast 15 Kilometer auf. Bei diesen Flügen überwand das Flugzeug regelmäßig Temperaturunterschiede von weit über 100 Grad Celsius. Während es am Boden oft über 35 Grad Celsius heiß wurde, herrschen in der oberen Troposphäre etwa minus 65 Grad Celsius. Aufgrund der herausfordernden Temperaturen und Turbulenzen war zwar viel Wartungsarbeit an Flugzeug und Messinstrumenten zu bewältigen, es gab aber keine größeren technischen Ausfälle. Und auch alle mitfliegenden Wissenschaftler landeten wieder wohlbehalten auf der Erde.

Über die ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne:

Die Abkürzung steht für „Aerosol, Cloud, Precipitation, and Radiation Interactions and Dynamics of Convective Cloud Systems (ACRIDICON)“ und das brasilianische Wort „Regen“ (CHUVA).

Zahlreiche Bilder und ein Tagebuch der ACRIDICON-CHUVA-Messkampagne finden sich auf folgenden Webseiten:

Das deutsch-brasilianische ACRIDICON-CHUVA-Forschungsprojekt erfolgt in enger Kooperation mit dem brasilianischen Regenforschungsprojekt CHUVA, dem US-amerikanisch-brasilianischen Atmosphärenforschungsprojekt GO-Amazon und dem internationalen Amazonasforschungsprojekt LBA:

Zu den direkt an ACRIDICON-CHUVA beteiligten Institutionen gehören:

das Max-Planck-Institut für Chemie (MPIC), die Universität Leipzig, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), das Forschungszentrum Jülich (FZJ), das Leibniz-Institut für Troposphärenforschung (TROPOS), das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die Universität Frankfurt, die Universität München, die Universität Heidelberg und die Universität Mainz aus Deutschland. Die Beiträge der universitären Partner werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Weiterhin beteiligt sind die Hebrew University of Jerusalem aus Israel sowie das Instituto Nacional de Pesquisas Espaciais (INPE), die Universidade de São Paulo (USP), das Centro Técnico Aeroespacial (CTA), die Sistema de Proteção da Amazônia (SIPAM) und das Instituto Nacional de Pesquisas da Amazônia (INPA) aus Brasilien.

Über das Forschungsflugzeug HALO:

Das Forschungsflugzeug HALO ist eine Gemeinschaftsinitiative deutscher Umwelt- und Klimaforschungseinrichtungen. Gefördert wird HALO durch Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der Helmholtz-Gemeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), der Leibniz-Gemeinschaft, des Freistaates Bayern, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ, des Forschungszentrums Jülich und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).

Quelle: Gemeinsame Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Chemie und der Universität Leipzig

Von Leukämie bis Kriegskinder

Die Universitätsmedizin Leipzig hat mehrere Forschungsprojekte eingeworben. Die Themen sind breit gefächert von Blutkrebserkrankung über Risikofaktoren für Suizid bis hin zur Stigmatisierung von zu Kriegszeiten Geborenen. Darüber hinaus liegen die Ergebnisse einer Studie zu psychischen Belastungen von Palliativpatienten vor. Mehr erfahren Sie im folgenden Text.

Leukämieforschung

Mit 198.000 Euro unterstützt die José Carreras Leukämie-Stiftung ein Projekt an der Abteilung für Hämatologie und Internistische Onkologie, das die Biologie der Erkrankung weiter erforschen will. Wie der Nachwuchswissenschaftler Dr. Sebastian Schwind sagt, ist die Prognose für viele Patienten, die an einer akuten Leukämie leiden, noch immer schlecht. „Individuelle Therapiekonzepte sind notwendig, um sie gezielter behandeln zu können. Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit den Mechanismen, die Krebszellen aggressiver beziehungsweise resistent gegenüber Medikamenten machen.“ In dem auf zwei Jahre angelegten Projekt werden die Gründe untersucht, warum Patienten mit einer Überproduktion eines bestimmten Proteins, dem Transkriptionsfaktor ERG, eine besonders schlechte Prognose haben, und wie man dem entgegenwirken kann.

Risikofaktoren für Suizid

Ein Projekt aus der Medizinischen Psychologie und Medizinischen Soziologie, das sich eingehend mit der Dynamik von Suizidgedanken beschäftigt, wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit rund 167.000 Euro gefördert. Bislang ist es nicht gut gelungen, Suizidverhalten sicher vorherzusagen. Deshalb werden sich die Nachwuchswissenschaftlerinnen Dr. Lena Spangenberg und PD Dr. Heide Glaesmer über einen Förderzeitraum von zwei Jahren mit der zeitlichen Dynamik und den akuten Risikofaktoren von Suizidgedanken befassen. Dabei kommt die Erlebens-Stichproben-Methode (ESM), eine Echtzeit-Analyse, zum Einsatz.

Stationäre Patienten aus der Psychosomatik und Psychiatrie werden über mehrere Tage mehrmals täglich um eine kurze elektronische Einschätzung übers Smartphone gebeten. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen ist zum einen, die bisherigen Modellannahmen zu prüfen, andererseits sollen die Ergebnisse helfen, Vorhersage und Prävention von Suizidverhalten zu verbessern.

Stigmatisierung von Besatzungskindern

Die Leipziger Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie beteiligt sich außerdem am europäischen Verbundprojekt „Children born of War – Past, Present, Future“, das von der Europäischen Union mit insgesamt 3,75 Millionen Euro über drei Jahre gefördert wird. In dem Doktorandenprogramm werden insgesamt 15 Nachwuchswissenschaftler betreut, zwei davon in Leipzig unter der Leitung der psychologischen Psychotherapeutin PD Dr. Heide Glaesmer. Knapp 500.000 Euro gehen somit an den ostdeutschen Standort. Der Terminus „Children born of War“ meint Kinder, die von ausländischen, feindlichen Soldaten und einheimischen Müttern gezeugt wurden. Dazu zählen sowohl Kinder aus Kriegsvergewaltigungen, als auch solche aus positiv gefärbten Beziehungen. Die Leipziger Gruppe wird sich speziell mit Stigmatisierungserfahrungen deutscher und österreichischer Besatzungskinder des Zweiten Weltkrieges befassen, mit der Mutter-Kind-Beziehung und den Langzeitfolgen für das Bindungsverhalten.

Lebensqualität am Lebensende

Ein von der Deutschen Krebshilfe e.V. gefördertes Projekt zur psychosozialen Belastung und Lebensqualität von häuslich versorgten Palliativpatienten und ihren pflegenden Angehörigen wurde an der Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie abgeschlossen. Bei der über drei Jahre dauernden Längsschnittstudie unter der Leitung von Dr. Heide Götze und Prof. Dr. Elmar Brähler wurden Krebspatienten und ihre Angehörigen mehrfach zu Hause befragt. Dabei stellte sich heraus, dass zu Beginn der häuslichen Versorgung jeder zweite Palliativpatient klinisch relevante Depressivitätswerte angab, etwa jeder fünfte zeigte klinisch relevante Ängstlichkeit. Im Pflegeverlauf stieg die Depressivität weiter an, die in allen Bereichen ohnehin schon geringe Lebensqualität nahm weiter ab. Die Belastung insbesondere durch Erschöpfung, Appetitlosigkeit und Kurzatmigkeit war sehr ausgeprägt.

Ein ähnliches Bild stellte sich bei den pflegenden Angehörigen dar: Bereits zu Beginn der häuslichen Versorgung zeigte jeder vierte hohe Depressivitätswerte, jeder dritte gab eine hohe Ängstlichkeit an. Ihre Lebensqualität war geringer als in der Allgemeinbevölkerung und die seelische Belastung stark ausgeprägt, beides blieb im Pflegeverlauf unverändert.Entstanden durch die Pflege jedoch zusätzlich finanzielle Belastungen, erhielten sie nur wenig Unterstützung vom Umfeld. Handelte es sich beim Pflegenden um den Partner des Patienten, nahmen Belastungs- und Erschöpfungsempfinden signifikant zu.

Dazu stellte Diplompsychologin und Projektleiterin Heide Götze fest: „Vor dem Hintergrund ist es bedenklich, dass nur fünf Prozent der befragten Angehörigen professionelle psychologische Unterstützung erhielten. Gerade solche mit geringer sozialer Einbindung haben einen besonders hohen Unterstützungsbedarf. Es wäre wünschenswert, dass ein entsprechendes Angebot zu einem festen Bestandteil der ambulanten Palliativversorgung wird.“

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