Abschied vom Nuckeln

Leipzig. Am 8. Oktober 2014 wurde am Uniklinikum Leipzig ein Schnuller-Spenden-Baum eingeweiht. Die große Eiche im Park hinter der Kinderklinik – verziert mit über 5000 bunten Schnullern – ist jetzt Anlaufstelle für alle Leipziger Kinder, die tapfer sind und endlich Ihren geliebten Nuckel abgeben möchten. Dieser dient dann sogar einem guten Zweck. Für jeden Schnuller spendet die Firma NUK einen kleinen Obolus an die „Stiftung Lesen“, die unter anderem Vorleseprojekte an Krankenhäusern und Bibliotheken fördert.

Die ersten Schnuller wurden von den Kindern der KITAS "UniKids Leipzig" und "miniUniVersum" abgegeben. Foto: Stefan Straube/UKL
Die ersten Schnuller wurden von den Kindern der KITAS „UniKids Leipzig“ und „miniUniVersum“ abgegeben.
Foto: Stefan Straube/UKL

Wer den Schnuller-Spenden-Baum besuchen möchte, findet ihn am Uniklinikum Leipzig direkt im Park hinter der Kinderklinik in der Liebigstraße 20a.

Schnuller sind eine tolle Erfindung: Sie beruhigen und trainieren die Kiefer- und Mundmuskulatur der Kleinsten. Doch im Alter von ca. 24 Monaten sollten Kinder Abschied nehmen vom geliebten Nucki. „Wenn der Nuckel länger verwendet wird, kommt es zu Kieferverformungen, die unter anderem die Sprachentwicklung beeinträchtigen können“, erklärt Prof. Christian Hirsch, Leiter der Klinik für Kinderzahnheilkunde und Primärprophylaxe.

Um den Schnuller-Abschied zu erleichtern „wächst“ deshalb jetzt am Uniklinikum Leipzig ein Schnuller-Spenden-Baum, der gestern gemeinsam mit den Kinder der Kitas „UniKids Leipzig“ und „miniUniVersum“ eingeweiht wurde. Dabei landete ein Schnuller nach dem anderen in dem am Baum angebrachten Kasten. Der wird regelmäßig gelehrt und dann werden die Schnuller in bares Geld umgewandelt. Jeder abgegebene Schnuller kommt der Stiftung Lesen zugute, die mit den Spendengeldern sogenannte Vorlesepaten fördert, die sich aktiv für die Leseförderung einsetzen und vielerorts in Kitas, Bibliotheken und Krankenhäusern kleinen und großen Kindern vorlesen.

Der NUK-Schnuller-Spenden-Baum am UKL ist einer von neun deutschlandweit. Schnullerbäume gibt es auch in Frankfurt am Main, Bremen, Dresden, Jena, Bonn, Gera, Potsdam und Karlsruhe. Insgesamt konnten durch Schnuller-Spenden in den letzten Jahren schon über 50.000 Euro an die Stiftung Lesen übergeben werden.

Menschenhandel in Deutschland und Frankreich

Nicht immer sind sie jung und stammen aus osteuropäischen Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Ungarn. „Opfer von Menschenhandel können auch ältere Frauen aus der Bundesrepublik sein, die sich in einer Zwangslage befinden und dadurch zur Prostitution gezwungen werden“, sagt Prof. Dr. Rebecca Pates, Politikwissenschaftlerin an der Universität Leipzig. „Unser alltägliches Verständnis von Menschenhandel ist geprägt durch popkulturelle Phänomene wie Spielfilme, die allerdings mit der Realität in vielen Fällen nicht übereinstimmen.“ Pates forscht derzeit zum Thema „Menschenhandel im Lichte institutioneller Praktiken“ und vergleicht dabei Deutschlands und Frankreich.

„Wir wollen damit auch zur öffentlichen Debatte um Menschenhandel beitragen, indem wir die Diskrepanz zwischen politischen Regulierungsinstrumenten auf nationaler und internationaler Ebene einerseits und den konkreten lokalen Praktiken andererseits näher beleuchten“, erläutert Pates. „Bei der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Problematik stößt man von Beginn an auf ein irritierendes Paradox: Obwohl die Frage des Menschenhandels die internationale Debatte um die Bekämpfung der organisierten Kriminalität beherrscht und obwohl Menschenhandel  durch den Kauf und Verkauf von Menschen und die Ausbeutung als eine der schwersten Menschenrechtsverletzungen gilt, werden nur wenige Fälle vor Gericht gebracht.“

Das dreijährige Forschungsprojekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und ihrem französischen Pendant Agence nationale de la recherche finanziert. 13 Wissenschaftler sind daran beteiligt, fünf davon aus der Bundesrepublik.

Juristisch kann in Deutschland für das strafrechtliche Verfolgen von Menschenhandel Paragraf 232 des Strafgesetzbuches herangezogen werden. Danach ist, um wegen Menschenhandel Ermittlungen gegen mutmaßliche Täter aufnehmen zu können, nicht notwendig, dass das potenzielle Opfer aus einem anderen Land stammen muss. Zumindest laut dem Gesetzestext ist es ausreichend, dass eine Zwangslage ausgenutzt wird. „Die Zwangslage wird dann oft so ausgenutzt, dass die Sexarbeiter gezwungen werden, Kunden anzunehmen, die sie eigentlich nicht wollen und Praktiken anzubieten, die sie ebenfalls nicht wollen“, sagt Pates.

Eine „Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist“, ist ein zweiter Aspekt bei der Aufnahme von Ermittlungen; sie muss allerdings nicht zwingend vorhanden sein. „Das ist in Frankreich anders“, berichtet Pates, „dort ist es für den Opferbegriff erforderlich, dass die Prostituierte keinen französischen Pass besitzt.“ Ein weiterer Unterschied zu Frankreich besteht darin, dass die Ermittler dort öfter zu Methoden wie dem Abhören von Telefonaten oder dem Überwachen von Kontobewegungen greifen. In der Bundesrepublik ist jedoch der Zeugenbeweis notwendig: Die mutmaßlichen Opfer von Menschenhandel müssen also schon während der Ermittlungen der Polizei eine auswertbare Aussage machen. Sollten sie das nicht tun, etwa aufgrund der Angst vor ihren Menschenhändlern, können sie im Gegensatz zu Frankreich ausgewiesen werden.

Im Unterschied zu Frankreich sind daher Migranten, die Opfer von Menschenhandel sind, in Deutschland  weniger aussagebereit. Sie könnten deswegen weniger häufig als Opfer anerkannt werden und für die Strafverfolgungsbehörden unsichtbar bleiben. Das Projekt wird also auch der Frage nachgehen, ob Frankreichs Statistiken mehr Menschenhandelsopfer mit Migrationshintergrund aufgrund der für Menschenhandelsopfer in Deutschland ungünstigen ausländerrechtlichen Bestimmungen aufweisen.

Die Wissenschaftler um Pates wollen sich deshalb Strafverfahren wegen Menschenhandels ansehen und mit Strafverfolgern von Staatsanwaltschaften und Polizei sprechen. „Wir wollen herausfinden, ob und wie der Paragraf 232 im konkreten Alltag der Behörden Anwendung findet. Generell ist die Polizei ja bemüht, Opfern von Menschenhandel zu helfen und die Täter zu überführen, sie berichtet aber auch, dass der Paragraf für die Ermittlungsarbeit große Schwierigkeiten in sich birgt“, berichtet Pates.

Der Beitrag zur öffentlichen Debatte um den Menschenhandel, den die Wissenschaftler des Projektes leisten wollen, könnte auch die Debatte um das Prostitutionsgesetz befruchten, das seit 2002 in der Bundesrepublik gilt und 2001 von der damaligen rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) verabschiedet worden war. Die gegenwärtige große Koalition von CDU und SPD unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Koalitionsvertrag von 2013 vereinbart, das Gesetz „umfassend“ zu überarbeiten. „Es existieren zum Beispiel keine empirischen Belege dafür, dass eine Verschärfung der Gesetze Menschenhandel verhindert“, schätzt Pates ein. „So einfach läuft das nicht.“

Sie verweist auf Schweden, wo Prostitution seit 1999 illegal ist und Kunden der Strafverfolgung unterliegen. „Die Prostitution gibt es in Schweden weiterhin, nur ist sie nicht mehr so stark öffentlich sichtbar“, berichtet Pates. Von Forderungen nach der Registrierung von Prostituierten bei der Polizei hält die Politikwissenschaftlerin nichts. „Das wäre ein Rückfall in das 19. Jahrhundert.“

Wasserstoffkern mit Quantensensor nachgewiesen

Wissenschaftlern der Universität Leipzig und der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ist es gelungen, das Magnetfeld des unvorstellbar winzigen Kerns eines Protons nachzuweisen. Dafür wurden an der ETH quantenmechanische Effekte genutzt, wie Prof. Dr. Jan Meijer vom Institut für Experimentelle Physik II der Universität Leipzig sagt. „Die Methode erlaubt, das Magnetfeld des Kerns eines einzelnen Wasserstoffatoms in einem Abstand von einem Nanometer nachzuweisen und dessen Ort zu bestimmen.

Das NV-Zentrum (roter Pfeil) kann einzelne kleine Magnetfelder, die durch Protonen -dem Kern des Wasserstoffatoms - produziert werden (blaue Pfeile) auslesen. Die NV-Zentren sollten sich möglichst nahe an der Oberfläche befinden. Mit Mikrowellen und Laser wird der Sensor berührungsfrei ausgelesen. Foto: Prof. Christian Degen/ETH Zürich
Das NV-Zentrum (roter Pfeil) kann einzelne kleine Magnetfelder, die durch Protonen -dem Kern des Wasserstoffatoms – produziert werden (blaue Pfeile) auslesen. Die NV-Zentren sollten sich möglichst nahe an der Oberfläche befinden. Mit Mikrowellen und Laser wird der Sensor berührungsfrei ausgelesen.
Foto: Prof. Christian Degen/ETH Zürich

Dabei funktionieren die Sensoren bei Raumtemperatur und sind somit für viele Anwendungen in der Industrie und der Wissenschaft nutzbar“, erklärt der Physiker. Die Forscher aus Leipzig und Zürich haben ihre neuen Erkenntnisse in der jüngsten Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Science“ veröffentlicht.

Die Magnetfeldsensoren bestehen aus nur einem Stickstoffatom sowie einer Fehlstelle (NV-Zentrum) im Diamantgitter. Wie die Physiker herausfanden, können die Farbzentren auch sehr nahe der Oberfläche eines Diamanten erzeugt werden. Dadurch lassen sich auch Magnetfelder einzelner Atome auf der Oberfläche detektieren. Diese sogenannten NV-Zentren werden dabei berührungsfrei mit Hilfe von Licht ausgelesen. „Dies macht sie für viele zukünftige Anwendungen einsetzbar. Denn überall in der Praxis, wo Magnetfelder mit extrem hoher Präzision gemessen werden müssen, kann dieser Effekt genutzt werden“, sagt Prof. Christian Degen von der ETH.

So sollen durch die neuen Erkenntnisse des deutsch-schweizerischen Forscherteams künftig wesentlich empfindlichere Biosensoren als bisher gebaut werden, wie Meijer erläutert. „Eigentlich arbeiten wir an einem Quantencomputer und versuchen dabei, jede mögliche Störung wie etwa durch das Magnetfeld einzelner Protonen zu vermeiden. In dieser Technik wurden die Störeffekte quasi als Messsignal genutzt“, sagt Meijer.

Um einzelne Wasserstoffatome an der Oberfläche eines Diamanten aufzuspüren, mussten die NV-Zentren möglichst nahe an der Oberfläche erzeugt werden. „Gelungen ist dies mit einer speziellen Oberflächenbehandlung und einem sogenannten Implanter. Er erlaubt es, einzelne Atome hochpräzise nur wenige Atomlagen tief zu platzieren“, sagt Dr. Sebastien Pezzagna, Physiker der Universität Leipzig. Die Forscher arbeiten nun daran, die Sensoren weiter zu verbessern, um damit einzelne Molekülstrukturen zu analysieren.

Fachveröffentlichung:
Single-proton spin detection by diamond magnetometry
Doi: 10.1126/science.1259464

Landesverfassungen unter der Lupe

Tier-, Umwelt- und Nichtraucherschutz oder das Recht auf eine Wohnung: Die Staatsziele, die jedes Bundesland ganz individuell in seine Verfassung aufnimmt, sind so unterschiedlich wie die jeweiligen politischen Machtverhältnisse. 25 Jahre nach der Wende befasst sich ein wissenschaftliches Projekt an der Universität Leipzig mit den Landesverfassungen. PD Dr. Werner Reutter vom Institut für Politikwissenschaft untersucht seit einem Jahr in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt „Muster und Determinanten der Verfassungspolitik in den deutschen Bundesländern“ Gemeinsamkeiten und Unterschiede in diesen wichtigen Leitlinien.

„Ich untersuche unter anderem, inwieweit die Verfassungen in den Bundesländern von bundes- und europapolitischen Entwicklungen geprägt sind“, erklärt Reutter und nennt als markantes Beispiel die Schuldenbremse. Diese verfassungsrechtliche Regelung, die 2009 von der Föderalismuskommission zur Begrenzung der Staatsverschuldung beschlossen wurde, sei in einigen Landesverfassungen verankert, in anderen nicht. „Die Verfassungen der Länder sind in den vergangenen Jahren unterschiedlich häufig und in unterschiedlicher Reichweite verändert worden“, sagt der Politikwissenschaftler, der für sein Projekt unter anderem Gespräche mit Landtagsabgeordneten führt und Dokumente wie Zeitungen auswertet.

Während in Sachsen seit Anfang 1992, dem Jahr der Verabschiedung, nur einmal die Verfassung geändert wurde – zur Annahme der Schuldenbremse – habe es in Brandenburg schon acht Änderungen gegeben. Relativ häufig hätten Berlin und Rheinland-Pfalz ihre Verfassungen mit der stets notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament geändert, allerdings seit 1950 beziehungsweise 1947: Berlin 43-mal, Rheinland-Pfalz 37-mal. Grund für diese Unterschiede seien unter anderem die politischen Verhältnisse.

Während im eher konservativen, CDU-regierten Sachsen die Verfassung kaum geändert worden sei, herrsche beispielsweise im Land Brandenburg ein anderes Politikverständnis vor. „Hier wird die Opposition stärker in die Politik einbezogen. In Brandenburg waren von Beginn an viele Staatsziele wie zum Tier- und Umweltschutz und soziale Grundrechte wie das Recht auf eine Wohnung in die Verfassung aufgenommen. In dieser Tradition steht auch die 2013 in die Verfassung aufgenommene Antirassismusklausel“, berichtet Reutter. Der Politikwissenschaftler weist darauf hin, dass all diese Klauseln keinen einklagbaren Rechtsanspruch begründen, sondern eher als politische Bekenntnisse zu betrachten seien. Dies sei auch der Grund, weshalb Staatsrechtler diese Thematik kritisch betrachten.

Im Rahmen seines Projektes, das zunächst bis März 2016 läuft, will Reutter unter anderem die Verfassungen Bayerns, Baden-Württembergs und des Saarlandes unter die Lupe nehmen.

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