Heutige Nutzpflanzen wie Mais und Weizen sind das Ergebnis geduldiger Züchter, die über Jahrtausende auf den Ertrag und die Widerstandsfähigkeit hingewirkt haben. Das gilt auch für die Zuckerrübe, aus der jährlich ein Drittel der weltweiten Zuckerproduktion stammt. An welchen Stellen Pflanzenzüchter das Erbgut der Rübe über die vergangenen zwei Jahrhunderte verändert haben – das haben Genomforscherinnen und -forscher aus Bielefeld, Berlin und Barcelona jetzt herausgefunden.
Im Fachmagazin „Nature“ haben die Wissenschaftler im Dezember 2013 ihre Analyse der Genomdaten vorgestellt. „Das Bemerkenswerte an den Genomdaten ist, dass sich mit ihrer Hilfe künftig die Genome verwandter Pflanzen weitaus schneller entschlüsseln lassen als bisher“, sagt einer der Autoren, Professor Dr. Bernd Weisshaar vom Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld.
Weisshaar, der an der Fakultät für Biologie lehrt und forscht, leitet das Forschungsprojekt zusammen mit Dr. Heinz Himmelbauer vom Centre for Genomic Regulation (CRG) in Barcelona, Spanien. Auch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin, der Technischen Universität Dresden und der Universität Leipzig sind an der Forschung beteiligt.
Die Zuckerrübe gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Sie wurde aus der Runkelrübe gezüchtet und dabei auf einen hohen Zuckergehalt ausgerichtet. Um vergleichen zu können, wie sich das Zuckerrüben-Genom über die Zeit veränderte, bestimmte das Forschungsteam zusätzlich den groben Aufbau des Genoms der verwandten Pflanzen Spinat und Rote Bete sowie von einigen verschiedenen Zuckerrüben-Züchtungen. „Durch den Vergleich konnten wir zum Beispiel zeigen, welche ertragsrelevanten Gene durch Züchtung in das Erbgut der Zuckerrübe gelangt sind“, erklärt Weisshaar. Auch die Veränderung am Schossgen belegten die Forscher. Das Schossgen steuert, ob die Zuckerrübe schon im ersten Sommer Blüten trägt. Sprießen der Pflanze Blüten, kostet sie das Energie und die fehlt für das Wachstum der Wurzel. „Deswegen haben die Züchter dafür gesorgt, dass das Blütenwachstum erst im zweiten Jahr erfolgt – wenn man die Rübe nicht vorher ernten würde“, erläutert Weisshaar.
Das Schossgen und weitere ertragsrelevante Gene können durch die Untersuchung des Zuckerrüben-Genoms künftig gezielt in der Züchtung verfolgt werden. „Dadurch wird eine beschleunigte Züchtung von robusten und ertragreichen Zuckerrübensorten möglich“, sagt Weisshaars Kollege Heinz Himmelbauer.
Mit der Sequenzierung der Zuckerrübe haben die Wissenschaftler Pionierarbeit geleistet: Denn bei der Genomsequenz handelt es sich um die erste entschlüsselte DNA aus einer Unterklasse der bedecktsamigen Pflanzen. Damit wird die Sequenz zum Vergleichsmaßstab für die Sequenzierung verwandter Pflanzen. Genomforscher können mit den Grunddaten der Sequenz arbeiten, um schneller als bislang die Genome von Pflanzen aus der gleichen geschlossenen Abstammungsgemeinschaft zu identifizieren.
Die Forschung zur Genomsequenz der Zuckerrübe erfolgt am Centrum für Biotechnologie (CeBiTec) der Universität Bielefeld. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert die Analysen als Teil des Verbundforschungsprojekts „BeetSeq“ mit Partnern vom Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin und deutschen Zuckerrüben-Züchtern.
Originalveröffentlichung:
Juliane C. Dohm, André E. Minoche, Daniela Holtgräwe, Salvador Capella Gutiérrez, Falk Zakrzewski, Hakim Tafer, Oliver Rupp, Thomas Rosleff Sörensen, Ralf Stracke, Richard Reinhardt, Alexander Goesmann, Thomas Kraft, Britta Schulz, Peter F. Stadler, Thomas Schmidt, Toni Gabaldón, Hans Lehrach, Bernd Weisshaar, Heinz Himmelbauer: The genome of the recently domesticated crop plant sugar beet (Beta vulgaris), Nature, http://dx.doi.org/10.1038/nature12817, erschienen am 18. Dezember 2013.
Weitere Informationen im Internet:
http://bvseq.molgen.mpg.de