Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Substitutionsarztes

Bundesgerichtshof bestätigt Verurteilung eines Substitutionsarztes wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln im Rahmen von Substitutionstherapien:

Das Landgericht Deggendorf hat den angeklagten Arzt wegen unerlaubten Verschreibens von Betäubungsmitteln in 125 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt und ein Berufsverbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesprochen, als Arzt drogenabhängige Patienten zu substituieren. Für den Tod eines seiner an einer Überdosis Methadon verstorbenen Substitutionspatienten hat das Landgericht den Arzt nicht für verantwortlich gehalten.

Der Angeklagte hatte nach den Feststellungen des Landgerichts als Arzt in den Jahren 2006 bis 2011 u.a. Substitutionspatienten behandelt. Jedenfalls bei vier Patienten verschrieb er die Substitutionsmittel Methadon und Levomethadon im Rahmen von sogenannten „Take-Home-Verordnungen“, die es den Patienten ermöglichen, die für maximal eine Woche benötigten Substitutionsmittel in der Apotheke zu beziehen und eigenständig ohne weitere ärztliche Kontrolle einzunehmen. Der Angeklagte nahm dabei billigend in Kauf, dass die Patienten das ihnen verschriebene Methadon nicht bestimmungsgemäß verwendeten, d.h. nicht ordnungsgemäß in der verordneten Dosis einnahmen bzw. unerlaubte Betäubungsmittel zusätzlich konsumierten, was er im Übrigen auch nicht ausreichend kontrollierte. Schließlich verschrieb er einem Patienten Methadon in fünf Fällen, ohne im fraglichen Zeitraum zu diesem persönlichen Kontakt gehabt zu haben. Der Patient starb später an einer Überdosis Methadon. Das Landgericht hat insoweit angenommen, der Patient habe sich in Kenntnis des Risikos einer Überdosierung eigenverantwortlich selbst gefährdet, so dass der Angeklagte trotz der unerlaubten Verschreibung des Methadons für den Tod nicht strafrechtlich verantwortlich sei.

Gegen dieses Urteil haben sich sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte mit ihren Revisionen gewendet. Die Staatsanwaltschaft hat vor allem das Unterbleiben der Verurteilung wegen eines Tötungsdelikts zum Nachteil des verstorbenen Patienten beanstandet. Seitens des Angeklagten ist geltend gemacht worden, die Verschreibungen im Take-Home-Verfahren seien in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle mit den rechtlichen Vorgaben in Einklang gewesen.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat beide Rechtsmittel verworfen. Im Hinblick auf das Rechtsmittel des Angeklagten hat der Senat ausgeführt, dass aus unterschiedlichen Gründen gegen die Vorgaben für das Take-Home-Verfahren – selbst unter Berücksichtigung des weiten Beurteilungsspielraums eines Arztes über die Gestaltung der Substitutionstherapie – eindeutig verstoßen worden sei. Deshalb handelte es sich jeweils um unerlaubte und damit strafbare Verschreibungen von Betäubungsmitteln. Hinsichtlich des Todes eines der Patienten bestätigt der Bundesgerichtshof die Annahme des Landgerichts, es liege eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Patienten vor, die eine Verantwortlichkeit des Arztes für dessen Tod und damit eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts ausschließe.

Urteil vom 28. Januar 2014 – 1 StR 494/13

Landgericht Deggendorf – Urteil vom 22. März 2012 – 1 KLs 10 Js 965/09

Karlsruhe, den 28. Januar 2014

2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bezweifelt Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision eines Angeklagten, der vom Landgericht Meiningen „wegen Diebstahls oder gewerbsmäßiger Hehlerei“ in 19 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden war, die Verhandlung unterbrochen und bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob sie sich seiner Rechtsansicht anschließen, wonach die so genannte „ungleichartige Wahlfeststellung“ gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit von Strafgesetzen (Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz) verstößt.

Bei der „ungleichartigen Wahlfeststellung“ handelt es sich um eine in engen Grenzen bereits vom Reichsgericht anerkannte, auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhende Rechtsfigur. Danach kann ein Beschuldigter „wahlweise“, also wegen Verstoßes entweder gegen das eine oder gegen das andere Strafgesetz verurteilt werden, wenn nach Durchführung der Beweisaufnahme offen bleibt, welchen von beiden Tatbeständen er verwirklicht hat, und die Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass keiner von beiden erfüllt wurde. Entwickelt wurde diese Verurteilungsmöglichkeit ursprünglich für Fälle, in denen ungeklärt bleibt, ob ein Beschuldigter, bei dem gestohlene Sachen gefunden werden, diese selbst gestohlen (Diebstahl) oder von dem Dieb erworben hat (Hehlerei); beide Tatbestände schließen sich aus. Nach bisher ständiger Rechtsprechung auch des Bundesgerichtshofs kann aber eine „wahlweise“ Verurteilung erfolgen, da beide Taten „rechtsethisch und psychologisch vergleichbar“ seien. Im Laufe der Jahre wurde die Figur der ungleichartigen Wahlfeststellung – unter dieser Voraussetzung – auf zahlreiche andere Tatbestandspaare ausgedehnt.

Eine „wahlweise Verurteilung“ steht in einem Spannungsverhältnis zu der Verfassungsgarantie des Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz, wonach der Schuldspruch wegen einer Straftat auf den Verstoß gegen ein „bestimmtes“ Gesetz gestützt sein muss. Eine „Analogie“ zu Lasten des Beschuldigten, also eine Verurteilung wegen eines nur „ähnlichen“ Verstoßes, ist unzulässig. Eine zwischenzeitliche gesetzliche Regelung wurde 1946 aufgehoben.

Der 2. Strafsenat vertritt die Auffassung, dass die Wahlfeststellung auch in der reduzierten Form, in welcher sie seit 1950 vom Bundesgerichtshof wieder als zulässig angesehen wurde, gegen Art. 103 Absatz 2 Grundgesetz verstößt, weil es sich nicht nur um eine prozessuale Entscheidungsregel, sondern um eine sachlich-rechtliche Strafbarkeitsregel handele, die dem Gesetzesvorbehalt unterliege. Er hat deshalb gemäß § 132 Absatz 3 Gerichtsverfassungsgesetz bei den übrigen Strafsenaten angefragt, ob sie sich dieser Rechtsansicht anschließen oder an ihrer bisherigen, entgegenstehenden Rechtsprechung festhalten. Im letzteren Fäll könnte der anfragende Senat, wenn er an seiner Ansicht festhalten will, die Sache dem Großen Senat für Strafsachen zur Entscheidung vorlegen.

Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12

Landgericht Meiningen – 110 Js 19 545/12 – 1 KLs – Entscheidung vom 30. Mai 2012

Karlsruhe, den 28. Januar 2014

Bundesgerichtshof: SCHUFA-Auskunft

Bundesgerichtshof entscheidet über Umfang einer von der SCHUFA zu erteilenden Auskunft: Die Klägerin hat gegen die beklagte Wirtschaftsauskunftei SCHUFA einen datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch geltend gemacht.

Die Beklagte sammelt und speichert im Rahmen ihrer Tätigkeit personenbezogene Daten, die für die Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Betroffenen relevant sein können. Darüber hinaus erstellt sie, u.a. auch unter Berücksichtigung der hinsichtlich des jeweiligen Betroffenen vorliegenden Daten, sog. Scorewerte. Ein Score stellt einen Wahrscheinlichkeitswert über das künftige Verhalten von Personengruppen dar, der auf der Grundlage statistisch-mathematischer Analyseverfahren berechnet wird. Die von der Beklagten ermittelten Scores sollen aussagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Betroffene seine Verbindlichkeiten vertragsgemäß erfüllen wird. Ihren Vertragspartnern stellt die Beklagte diese Scorewerte zur Verfügung, um ihnen die Beurteilung der Bonität ihrer Kunden zu ermöglichen.

Nachdem die Finanzierung eines Automobilkaufs der Klägerin zunächst aufgrund einer unrichtigen Auskunft der Beklagten gescheitert war, wandte sich die Klägerin an die Beklagte. Diese übersandte ihr nachfolgend eine Bonitätsauskunft sowie mehrfach eine „Datenübersicht nach § 34 Bundesdatenschutzgesetz“. Die Klägerin ist der Ansicht, die von der Beklagten erteilte Auskunft genüge nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Das Amtsgericht hat die Klage im Wesentlichen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin beim Landgericht blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, ihr hinsichtlich einzelner Scorewerte Auskunft darüber zu erteilen, welche Merkmale zur Scoreberechnung in welcher Gewichtung eine Rolle spielen. Der für Ansprüche nach dem Bundesdatenschutzgesetz zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision zurückgewiesen.

Allerdings hat die Beklagte Auskunft darüber zu erteilen, welche personenbezogenen, insbesondere kreditrelevanten Daten bei ihr gespeichert und in die Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte eingeflossen sind. Diese Auskunft hat die Beklagte gegenüber der Klägerin (teilweise erst im vorliegenden Verfahren) erteilt. Ihr wurden alle bei der Beklagten zu ihrer Person gespeicherten Daten übermittelt. Ferner wurde sie über die in den letzten zwölf Monaten an Dritte übermittelten und die aktuell berechneten Wahrscheinlichkeitswerte sowie über die zur Berechnung der Wahrscheinlichkeitswerte genutzten Daten informiert. Die Einzelheiten wurden in einem Merkblatt erläutert.

Einen darüber hinausgehenden Auskunftsanspruch der Klägerin hat das Berufungsgericht zu Recht verneint. Die von ihr beanspruchten konkreten Angaben zu Vergleichsgruppen zählen nicht zu den Elementen des Scoringverfahrens, über die nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BDSG Auskunft zu erteilen ist. Gleiches gilt für die Gewichtung der in den Scorewert eingeflossenen Merkmale. Dem Auskunftsanspruch des § 34 Abs. 4 BDSG liegt die gesetzgeberische Intention zugrunde, trotz der Schaffung einer größeren Transparenz bei Scoringverfahren Geschäftsgeheimnisse der Auskunfteien, namentlich die sog. Scoreformel, zu schützen. Die Auskunftsverpflichtung soll dazu dienen, dass der Betroffene den in die Bewertung eingeflossenen Lebenssachverhalt erkennen und darauf reagieren kann. Hierzu bedarf es keiner Angaben zu Vergleichsgruppen und zur Gewichtung einzelner Elemente. Das gesetzgeberische Ziel eines transparenten Verfahrens wird dadurch erreicht, dass für den Betroffenen ersichtlich ist, welche konkreten Umstände als Berechnungsgrundlage in die Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswerts eingeflossen sind. Dieses Ziel wird durch die der Klägerin erteilten Auskünfte erreicht.

Karlsruhe, den 28. Januar 2014 – VI ZR 156/13

Amtsgericht Gießen – Urteil vom 11. Oktober 2012 – 47 C 206/12

Landgericht Gießen – Urteil vom 6. März 2013 – 1 S 301/12

Karlsruhe, den 28. Januar 2014

69. Jahrestag – Gedenken an Holocaust-Opfer in Auschwitz

Heute, am 69. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, wird weltweit der Opfer des Holocausts gedacht. Überlebende legten in Auschwitz Blumen nieder und zündeten Kerzen an.

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